1804 – 1875
Am Waldsaum kann ich lange
Nachmittage,
Dem Kukuk horchend, in dem Grase liegen;
Er scheint das Tal gemächlich einzuwiegen
Im friedevollen Gleichklang seiner Klage.
Da ist mir wohl, und meine schlimmste Plage,
Den Fratzen der Gesellschaft mich zu fügen,
Hier wird sie mich doch endlich nicht bekriegen,
Wo ich auf eigne Weise mich behage.
Und wenn die feinen Leute nur erst dächten,
Wie schön Poeten ihre Zeit verschwenden,
Sie würden mich zuletzt noch gar beneiden.
Denn des Sonetts gedrängte Kränze flechten
Sich wie von selber unter meinen Händen,
Indes die Augen in der Ferne weiden.
1804 – 1875
Wenn ich, von deinem Anschaun
tief gestillt,
Mich stumm an deinem heilgen Wert vergnüge,
Dann hör ich recht die leisen Atemzüge
Des Engels, welcher sich in dir verhüllt.
Und ein erstaunt, ein fragend
Lächeln quillt
Auf meinem Mund, ob mich kein Traum betrüge,
Daß nun in dir, zu ewiger Genüge,
Mein kühnster Wunsch, mein einzger, sich erfüllt?
Von Tiefe dann zu Tiefen
stürzt mein Sinn,
Ich höre aus der Gottheit nächtger Ferne
Die Quellen des Geschicks melodisch rauschen.
Betäubt kehr ich den Blick
nach oben hin,
Zum Himmel auf - da lächeln alle Sterne;
Ich kniee, ihrem Lichtgesang zu lauschen.
1804 – 1875
Ich sehe dich mit reinbewußtem
Willen –
Ach, leider oft den Nächsten
selbst entgegen –
Noch sanft durchglüht vom
letzten Vatersegen,
Streng deines Tages Pflichtenkreis
erfüllen.
Du magst so gerne unbelauscht
im stillen,
Was himmlisch blüht und
unverwelklich, pflegen
Und, kindlich um das höchste
Wort verlegen,
Den Reichtum deiner Brust
verhüllen.
Wer so dich kennet, ja, der
glaubt aufs neue,
Daß Wahrheit, Tugend Lieb und
fromme Treue
Noch immer nicht von dieser
Erde schieden.
Oft seh ich, wenn du trüb die
Stirne senkest,
Den Stern, den du dir gar
verloren denkest,
Dicht überm Haupt dir stehn –
den selgen Frieden.
1804 – 1875
Ich sah den Helikon in
Wolkendunst,
Nur kaum berührt vom ersten Sonnenstrahle:
Schau! Jetzo stehen hoch mit einem Male
Die Gipfel dort in Morgenrötebrunst.
Hier unten spricht von
keuscher Musen Gunst
Der heilge Quell im dunkelgrünen Tale;
Wer aber schöpft mit reiner Opferschale,
Wie einst, den echten Tau der alten Kunst?
Wie? soll ich endlich keinen
Meister sehn?
Will keiner mehr den alten Lorbeer pflücken? -
Da sah ich Iphigeniens Dichter stehn:
Er ist's, an dessen Blick sich
diese Höhn
So zauberhaft, so sonnewarm erquicken.
Er geht, und frostig rauhe Lüfte wehn.
1804 – 1875
In seine hohen Wände
eingeschlossen,
Mit traurig schönen Geistern im Verkehr,
Gestärkt am reinen Atem des Homer,
Von Goldgewölken Attikas umflossen:
Also vor seinen Tüchern
unverdrossen,
Fern von dem Markt der Künste, sitzet er;
Kein Neid verletzt, kein Ruhm berauscht ihn mehr.
Ihm blüht ein Kranz bei herrlichern Genossen.
O kommt und schaut ein selig
Künstlerleben!
Besuchet ihn am abendlichen Herd,
Wenn diese Stirne, sich der Wunderschwingen
Des Genius erwehrend, sich nur
eben
Erheitert zu dem Alltagskreise kehrt,
Den Weib und Kinder scherzend um ihn schlingen.
1804 – 1875
Wenn Dichter oft in warmen
Phantasien,
Von Liebesglück und schmerzlichem Vergnügen,
Sich oder uns, nach ihrer Art, belügen,
So sei dies Spielwerk ihnen gern verziehen.
Mir aber hat ein gütger Gott
verliehen,
Den Himmel, den sie träumen, zu durchfliegen,
Ich sah die Anmut mir im Arm sich schmiegen,
Der Unschuld Blick von raschem Feuer glühen.
Auch ich trug einst der Liebe
Müh und Lasten,
Verschmähte nicht den herben Kelch zu trinken,
Damit ich seine Lust nun ganz empfinde.
Und dennoch gleich ich jenen Erzphantasten:
Mir will mein Glück so unermeßlich dünken,
Daß ich mir oft im wachen Traum verschwinde.
1804 – 1875
Schön prangt im Silbertau die
junge Rose,
Den ihr der Morgen in den Busen rollte,
Sie blüht, als ob sie nie verblühen wollte,
Sie ahnet nichts vom letzten Blumenlose.
Der Adler strebt hinan ins
Grenzenlose,
Sein Auge trinkt sich voll von sprühndem Golde;
Er ist der Tor nicht, daß er fragen sollte,
Ob er das Haupt nicht an die Wölbung stoße.
Mag denn der Jugend Blume uns
verbleichen,
Noch glänzet sie und reizt unwiderstehlich;
Wer will zu früh so süssem Trug entsagen?
Und Liebe, darf sie nicht dem
Adler gleichen?
Doch fürchtet sie; auch fürchten ist ihr selig,
Denn all ihr Glück, was ists? - ein endlos Wagen!
1804 – 1875
Die
Liebe, sagt man, steht am Pfahl gebunden,
Geht endlich heim, zerrüttet,
unbeschuht;
Dies edle Haupt hat nicht
mehr, wo es ruht,
Mit Tränen netzet sie der Füße
Wunden.
Ach, Peregrinen hab ich so
gefunden!
Schön war ihr Wahnsinn, ihrer
Wange Glut,
Noch scherzend in der
Frühlingsstürme Wut
Und wilde Kränze in das Haar
gewunden.
Wars möglich, solche Schönheit
zu verlassen?
- So kehrt nur reizender das
alte Glück!
O komm, in diese Arme dich zu
fassen!
Doch weh! Oh weh! Was soll mir
dieser Blick?
Sie küßt mich zwischen Lieben
noch und Hassen.
Sie kehrt sich ab und kehrt
mir nie zurück.
1804 – 1875
Als Nachbild eines glücklichen
Theaterabends
bei und nach Aufführung von
Mozarts Figaro
von dem Lustigsten aus der
Gesellschaft
Ich sahe nächtlich hinter
Traumgardinen
Viel Frühlingsgärten blühn und immer ändern;
Es tanzten, klein, auf zierlichen Geländern
An hundert Figaros mit Cherubinen.
Wie alle Dinge hundertfach
erschienen,
So sah ich zwischen Masken, Blumen, Bändern,
Und zwischen all den seidenen Gewändern
Einfach die Einzigen, Marien, Paulinen.
Und aus dem samtnen
Frühlingsboden stiegen,
Gehoben von melodischen Gewalten,
Die Leidenschaften auf als ernste Schatten;
Da sah ich, still, mit tief
gefurchten Zügen,
Einfach zwei edle bärtige Gestalten,
Und ich sang, als Hanswurst, auf Blumenmatten.
1804 – 1875
Wahr ist’s, mein Kind, wo ich
bei dir nicht bin,
Geleitet Sehnsucht alle meine
Wege
Zu Berg und Wald, durch
einsame Gehege
Treibt mich ein irrer,
ungedulger Sinn
In deinem Arm! o seliger
Gewinn!
Doch wird auch hier die alte
Wehmut rege,
Ich schwindle trunken auf dem
Himmelsstege
Die Gegenwart flieht träumend
vor mir hin.
So denk ich oft: dies Schnell
bewegte Herz
Vom Überglück der Liebe stets
beklommen
wird wohl auf Erden nie zur
Ruhe kommen;
Im ewgen Lichte löst sich
jeder Schmerz,
Und all die schwülen
Leidenschaften fließen
wie rosge Wolken, träumend,
uns zu Füßen!
1804 – 1875
Der Himmel glänzt vom reinsten
Frühlingslichte,
Ihm schwillt der Hügel sehnsuchtsvoll entgegen,
Die starre Welt zerfließt in Liebessegen,
Und schmiegt sich rund zum zärtlichsten Gedichte.
Am Dorfeshang, dort bei der
luftgen Fichte,
Ist meiner Liebsten kleines Haus gelegen -
O Herz, was hilft dein Wiegen und dein Wägen,
Daß all der Wonnestreit in dir sich schlichte!
Du, Liebe, hilf den süßen
Zauber lösen,
Womit Natur in meinem Innern wühlet!
Und du, o Frühling, hilf die Liebe beugen!
Lisch aus, o Tag! Laß mich in
Nacht genesen!
Indes ihr sanften Sterne göttlich kühlet,
Will ich zum Abgrund der Betrachtung steigen.
Eduard Mörike Zwei dichterischen Schwestern von ihrem Oheim
1804 – 1875
Heut lehr' ich euch die Regel
der Son--
Versucht gleich eins! Gewiss, es wird ge--,
Vier Reime hübsch mit vieren zu versch--,
Dann noch drei Paare, dass man vierzehn h--,
Lasst demnach an der
vielgeteilten
K--
Als Glied in Glied so einen Schlussring sp--:
Das muss alsdann wie pures Gold erk--;
Gewisse Herrn zwar hängen Klett' an K--.
Ein solcher findet meine
schönen N--
Bei diesem Muster. "Ah, Fräulein, Si st--!"
-
"Oh nein, Herr Graf, hier gilt es Silben z--." –
"Wirklich! Doch wenn die
Lauren selber d--,
Was soll Petrarka?" - "Der mag Strümpfe str--.
Eins wie das andre ist für schöne S--."